Stadtplanung aus Kindersicht

GUDRUN GOLDMANN

Die Ausgangslage ist klar: Kinder brauchen Bewegung und haben dafür in der Stadt nicht genug Möglichkeiten. Um das zu ändern, engagiert sich der Verein SpielLandschaftStadt seit 24 Jahren auf mehreren Ebenen, um das zu ändern. Der Geschäftsführer Heiner Rehling erzählt im Interview von großen Zielen und kleinen Projekten.

Herr Rehling, Ihr Verein unterstützt die Einrichtung von temporären Spielstraßen, was ist das und wie funktioniert es?
Rehling: Temporäre Spielstraßen sind Wohnstraßen, die für Kinder in den Stadtteilen an einem Nachmittag für zwei bis drei Stunden geöffnet werden. Die Eltern müssen dafür die Initiative ergreifen und sich an uns wenden, denn es muss im Vorfeld einiges abgesprochen werden, mit dem Straßenverkehrsamt und dem Beirat. Da gibt es manchmal Hindernisse von Seiten der Behörde, aber das hat sich in letzter Zeit sehr verbessert. Wir stellen auch Geräte zur Verfügung oder bieten eine Betreuung an. Im Moment haben wir acht Spielstraßen in der Neustadt, in Schwachhausen und in Gröpelingen. Wir halten das für wichtig, dass Kinder so miteinander soziale Kontakte knüpfen können. Sie haben auch sogenannte Spielleitplanungen in verschiedenen Stadtteilen durchgeführt.

Was ist da das Ziel?
Rehling: Dahinter steht bei uns die Vorstellung einer bespielbaren Stadt, denn Kinder haben ein Recht auf Spiel. Es geht also immer um die Frage des öffentlichen Raums, denn wem gehört eigentlich der öffentliche Raum? Und wir denken, dass Kinder viel zu wenig im öffentlichen Raum vertreten sind, auch weil sie die Möglichkeiten nicht haben. Und um das zu ermöglichen, ist seit einiger Zeit in Bremen vorgesehen, dass Kinder immer beteiligt werden müssen bei dem Neubau von Spielplätzen. Aber das ist uns zu wenig und wir möchten gerne, dass die Spielleitplanung, in allen Stadtteilen durchgeführt wird und dass die Stadtplanung darauf Rücksicht nimmt. Damit die verschiedenen Spielräume, die es gibt, miteinander vernetzt werden und Kinder gut von einem Ort zum anderen gehen können. Dafür muss man gucken, wie sind eigentlich die Wege, Verbindungen, wo sind Spiel- oder Naturräume, in denen Kinder sich einfach begegnen können. Das heißt natürlich für die Verkehrs- und Stadtplanung auch mehr darüber nachzudenken, wenn sie Quartiere planen, wie ist dort die Wegeverbindung, welche Spielräume hat das Quartier, wo gibt es Naturwiesen oder andere naturbelassene Räume. Und dazu machen wir dann mit den Kindern in den Stadtteilen Begehungen und gucken, wo gibt es gute Orte, wo gibt es schlechte. Dann gehen wir in die Kitas und die Schulen und machen mit denen ein Beteiligungsverfahren.

Wie schwierig ist es, Stadtplanung im Sinne von Kindern und Jugendlichen umzusetzen?
Rehling: 1999 haben wir den Verein gegründet, da war das mehr oder weniger Wunschdenken. Die Entwicklung ist aber so, dass die Stadtplanung es immer mehr berücksichtigt und die Politik einsieht, dass es notwendig ist, die Stadt anders zu planen. Die Vernetzungen zwischen den Behörden sind allerdings noch nicht ideal. Sie sprechen von Wegeverbindungen zwischen Naturräumen und Spielplätzen.

Wo gibt es diese Naturräume denn noch, wo Kinder hingehen können?
Rehling: Es ist nicht so viel, aber es gibt noch kleinere Naturräume. Die Neustadt ist ganz dicht besiedelt, da geht es um Wegeverbindungen. Wie kommen Kinder eigentlich zusammen? Da haben uns Kinder gesagt, dass sie an Straßenkreuzungen den Verkehr nicht einsehen können und dort immer Angst haben rüberzugehen. Das wird dann in dem Bericht festgehalten und mit dem Ortsbeirat besprochen und nach Lösung gesucht.

Und wenn die Kinder sagen, das ist für uns nicht einsehbar, inwieweit wird da wirklich was umgesetzt?
Rehling: Wir sind nicht für die Umsetzung zuständig, sondern wir sagen, da haben die Kinder Ängste und dann muss eigentlich die Politik beziehungsweise das Ortsamt zusammen mit der Behörde sehen, wie man das ändern kann.

Sie haben im April zusammen mit dem VCD eine Tagung zur kindgerechten Quartiersentwicklung durchgeführt. Dabei ging es auch um die Vision einer kindgerechten Stadt- und Verkehrsplanung. Was sind die Kernpunkte einer solchen Vision?
Rehling: Die Kernpunkte sind, dass Kinder daran beteiligt werden, ihre Stadt zu planen. Dass es kindgerechte Wegeverbindungen gibt, damit sie mit Gleichaltrigen zusammenkommen und soziale Kontakte hergestellt werden können. Und das hängt natürlich auch wieder mit der Frage zusammen, wie wird der Autoverkehr gelenkt. Wer hat eigentlich die Hoheit im öffentlichen Raum, das Auto oder die Kinder? Wir sagen die Kinder und nicht die Autos.