Phalanx
›Phalanx‹ bezeichnet eine dicht geschlossene Kampfformation aus mehreren Schlachtreihen. Aber die Musik des Quartetts, das zur Hälfte aus Bremen stammt, klingt offener, als der kämpferische Name vermuten lässt. Auf ihrem Debütalbum ›Wild‹ vereint die Band Jazz, Rock, Noise und Avantgarde zu einem eigenständigen Klangbild, das sich jeder Genre-Schublade entzieht. Statt festgelegter Muster gibt es überraschende Brüche, massig Ideen, die in überraschender Weise miteinander verwoben sind und die Lust an Gegensätzen. Im Zentrum steht der Kontrast zwischen Klavier und einer verzerrten E-Gitarre. Dazwischen bewegen sich Bass und Schlagzeug – mal unterstützend, mal treibend. Die Musik bleibt dabei stets konzentriert und fernab von virtuoser Selbstverliebtheit. Die Stücke leben vom Wandel: Zarte Melodien kippen in lärmende Passagen, klare Strukturen in freie Improvisationen. In dem Stück ›Hansa‹ wird eine eingängige Klavierlinie nur kurz angedeutet, bevor sich ein spannungsreiches Wechselspiel entfaltet. In ›Köln‹ liefern sich Gitarre und Klavier ein intensives Kräftemessen. Und das vierteilige ›Mexiko‹ zersplittert in kleine, lose Fragmente, um in einem unerwartet harmonischen Finale zu enden. Phalanx schöpft aus verschiedenen musikalischen Traditionen – Jazz vor allem, aber auch Metal, Folk, Reggae, Drum’n’Bass – und schafft daraus etwas Eigenes: eine Musik, die sich melodisch zeigt, intensiv bleibt und dennoch Raum für Freiheit lässt. https://phalanxband.bandcamp.com/
V.B. Schulzes Bernsteinzimmer
Ist das noch Jazz? Ja, also es klingt zwar nicht wie Miles Davis und auch nicht wie John Zorn. Aber das Bernsteinzimmer ist ein Ort, in dem potenziell alles, was an Klängen erzeugt werden kann, Platz hat. ›So wie das berühmte und mythenumrankte Bernsteinzimmer der russischen Zaren ein imaginärer Ort ist, an dem sich Konstruktionen von Geschichte ansetzen lassen, ist V.B. Schulzes Bernsteinzimmer ein Ort der Imagination und Rekonstruktion, von Geschichte und Fiktion, Biografie und Dichtung, Wort und Ton, Musik, Experiment, Performance‹, schreibt die Band selbst. Damit trat die V.B. Schulzes Bernsteinzimmer, das gefühlt zwei Jahrzehnte verlässlich und allmonatlich in der Etage 3 des Lagerhauses zu Gast war, 2018 dann plötzlich im Rahmen des Jazzahead-Festivalprogramms auf. Also auch in diesem Sinne Jazz, verbrieft. Entscheidend aber ist nicht der Auftrittsort, sondern die Herangehensweise: Was die wüste Mischung des Bernsteinzimmers zusammenhält, ist Improvisation und damit der Wille und die Fähigkeit, auf der Bühne im Verbund immer wieder gemeinsam loszusegeln, ausgehend von einer Idee oder auch einer Verabredung, ohne zu wissen, wo man ankommt. Und das ist, meinem Verständnis nach, Jazz. ›Wir proben dezidiert nicht mehr‹, sagt Schulze. ›Jeder weiß das Thema. Am Abend setzen wir dann zusammen, was jeder dazu vorbereitet hat.‹ Musik als komplett offenes System.
https://www.bernsteinzimmer.hunot.de/
Janssen-Dauks-Quintett
Das Janssen-Dauks-Quintett verfährt da vergleichsweise traditionell, aber ›Tradition‹ ist im Jazz nichts Schlechtes, sondern das, aus dem alles erwächst. Man kann im Jazz (und auch sonst) nichts Neues schaffen, ohne Rückgriff auf das Alte. Und Bands, die das Vergangene am Leben erhalten, indem sie es auf der Bühne mit Leben füllen, sind im Genre genauso wichtig, wie die, die versuchen, musikalisch neue Gebiete zu erschließen. Christian Janssen (Tenor- und Sopransaxophon, Querflöte), Ralf Dauks (Gitarre), Jan Arndt (Klavier), Volker Tesmer (Bass) und Sönke Wittenberg (Schlagzeug) spielen gemeinsam einen durch und durch harmonischen, aber nie gediegenen, modernen Jazz. Das Repertoire umfasst Standards des American Songbook, Originalkompositionen bekannter Musiker (zum Beispiel John Abercrombie, Chick Corea, Bill Dobbins, Bill Evans), sowie Eigenkompositionen von Christian Janssen. Und die sind auch sehr schön. ›The North Sea‹ etwa, ein kleines Stück Programmmusik, das die Wellen der Nordsee als Kontrapunkte zum Klingen bringt. Oder ›Missing You‹, eine beschwingte Ballade. Das klingt nicht neu. Aber, und das ist wichtig, es klingt auch nicht alt. Es geht darum, eine Spielweise zu entwickeln, die die Zeitlosigkeit, die Jazz in seinen vielen besten Momenten hat, zum Klingen zu bringen. Um es in ein Bild zu fassen: Quintettgründer Christian Janssen praktiziert Taiji, eine daoistische Bewegungskunst, die die Entwicklung innerer Harmonie und Stärke zum Ziel hat. Und das drückt sich tatsächlich in der Spielweise des Quintetts aus. Eine in sich ruhende Präsenz.
https://janssen-dauks-quintett.jimdosite.com/
Die Musik im HfK-Jazzclub
An der Hochschule für Künste Bremen findet sich eine besondere Bühne für zeitgenössischen Jazz. Im HfK Jazzclub wird das Kellergewölbe unter der Hochschule jeden Dienstagabend während des Semesters zu einem Ort, an dem Studierende, Dozierende und Gäste aus Bremen und darüber hinaus zusammenkommen, um in Konzerten und Sessions musikalische Ideen zu entwickeln und vorzustellen. Junge Bands probieren ihre Programme aus, es gibt Semesterprojekte, thematische Abende und spontane Jams. Der HfK-Jazzclub ist ein zentraler Treffpunkt der Bremer Jazzszene, offen und vielfältig in jeder Hinsicht. Drei Formationen, die hier gespielt haben, zeigen, wie facettenreich dieser Ort ist: Polyphaga, ein junges Trio, verbindet modernen Jazz mit Groove, Melancholie und rhythmischem Wagemut. Das Quartett um Stepptänzer Thomas Marek bringt Jazz in Bewegung: Mareks Füße werden zu Instrumenten, Tanz und Musik treten in Dialog und erzählen sich was über Swing, Improvisation und Spiellust. Die Wahlpflichtcombo schließlich widmet sich dem Jazz der Siebziger – von Keith Jarrett bis Herbie Hancock – und denkt die Klassiker improvisierend neu: laut oder leise, dicht oder reduziert, immer offen für Überraschungen.
https://www.hfk-bremen.de/de/veranstaltungen